Selbstachtung ist kein Luxus – Warum die Gen Z nicht faul ist, sondern neue Arbeit will

07. Oktober 2025

8 Min. Lesezeit

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Foto: ChatGPT

Eigentlich ging's um die Wehrpflicht. Aber wie so oft in sozialen Netzwerken, dauerte es keine fünf Kommentare, bis jemand über die Gen Z herzieht. Aus einer Debatte über Politik wurde plötzlich ein Spiegelbild unserer Gesellschaft: Wer arbeitet eigentlich warum? Und wieso stört es so viele, wenn junge Menschen heute andere Prioritäten setzen?


🔹 Das Klischee: „Die Jugend will ja nicht mehr arbeiten“

Sinngemäß stand in einem Kommentar: Die jungen Leute heute verweigern sich allem – Wehrpflicht, Arbeitswelt, Verantwortung. Eine Haltung, die man nicht nur aus Online-Debatten kennt. Jede Generation bekommt ihren Stempel: Die 68er waren rebellisch, die Millennials bequem, jetzt ist die Gen Z angeblich faul.

Aber stimmt das? Schaut man sich die Zahlen an, ergibt sich ein anderes Bild: Die Arbeitslosenquote der 15–25-Jährigen lag 2024 in Deutschland bei rund 6 %. Im EU-Vergleich ist das niedrig. Ja, in Ostdeutschland liegt sie etwas höher – doch das hängt eher mit strukturellen Unterschieden zusammen: geringere Wirtschaftskraft, demografischer Wandel, Bildungszugänge. Ein Beispiel: In einigen Regionen fehlt es schlicht an Ausbildungsbetrieben, nicht an Bewerberinnen und Bewerbern.

Das Bild, das man von der Gen Z zeichnet, hat mit der Realität wenig zu tun. Es basiert eher auf Projektionen als auf Fakten.


📊 Die Realität: Warum viele junge Menschen nicht jeden Job machen

"Wir kennen unseren Wert. Und wir wissen, was wir für 1,7 Netto bekommen." Dieser Satz bringt es auf den Punkt. Junge Menschen haben keine Angst vor Arbeit. Aber sie haben Erwartungen.

Sie sehen, wie Azubis Überstunden schieben, ohne sie bezahlt zu bekommen. Wie Fachkräfte auf der Stelle treten, weil es intern keine Entwicklungsmöglichkeiten gibt. Wie Unternehmen mit Buzzwords wie "Purpose" oder "New Work" werben, aber intern noch mit Fax und Befehlston arbeiten.

Purpose – das bedeutet: Wissen, wofür man arbeitet. Nicht nur für Umsatz oder Zahlen, sondern für eine Idee, für ein Ziel, das Sinn stiftet.

New Work – das ist mehr als Homeoffice. Es heißt: Arbeit neu denken. Mit Eigenverantwortung, Flexibilität und einem Fokus auf die Menschen, nicht nur auf Prozesse.

Wenn ein Job weder fair bezahlt noch unsere Fähigkeiten nutzt, warum sollten wir uns kaputt schuften, nur um irgendeine Quote zu erfüllen? Am besten heult man jede Woche im Team-Meeting noch rum, wie schlecht doch die Umsätze wieder sind. Ich sage das nicht, um zu beleidigen – sondern um aufzurütteln. Denn das hat nichts mit Arbeitsmoral zu tun, sondern mit mangelnder Identität – wie ich es schon im Artikel „Corporate Identity ist keine Farbe, es ist deine Haltung“ erklärt habe.

Kein Wunder, dass viele lieber gründen, freelancen oder sich Jobs suchen, die Sinn stiften. Laut Deloitte geben über 50 % der Gen Z an, dass Purpose wichtiger ist als das Gehalt. Mehr als 40 % denken über Selbstständigkeit nach. Ich selbst hab mich selbstständig gemacht – nicht, weil ich keine Lust auf Arbeit habe, sondern weil ich Lust auf meine Arbeit habe.

Weil viele über neue Arbeit sprechen, lohnt sich ein Blick auf ein besonders spannendes Modell: die Vier-Tage-Woche. In vielen Berufen ist sie nicht nur möglich, sondern sinnvoll. Wenn man Künstliche Intelligenz nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung einsetzt, kann man in vier Tagen den Output einer vollen Woche oder mehr schaffen – ohne Menschen zu verheizen. In unserem Podcast „Die Zukunft der Künstlichen Intelligenz“, Folge 4 von Layer 8, habe ich genau darüber mit Markus gesprochen.

Das Argument, eine Vier-Tage-Woche sei unrealistisch, entkräftet sich oft bei genauerem Hinsehen. Studien zeigen: Wo sie klug eingeführt wird, steigen Zufriedenheit, Produktivität und Qualität. Nur weil das eigene Geschäftsmodell keine Flexibilität erlaubt, heißt das nicht, dass man das Konzept schlechtreden muss. Ein Feuerwehrmann beschwert sich ja auch nicht darüber, dass ein Sachbearbeiter an Feiertagen frei hat.


🔱 Der Wendepunkt: Selbstachtung ist kein Luxus

Das ist kein Kein-Bock-Problem. Das ist Selbstachtung.

Frühere Generationen mussten arbeiten, um zu überleben. Da zählte vor allem Sicherheit. Heute haben viele zum ersten Mal die Chance, frei zu wählen: Wie will ich leben? Wie will ich arbeiten? Und für wen?

Karriere hieß früher: zehn Jahre durchhalten. Heute heißt Karriere: wissen, wann man geht. Es geht nicht darum, nichts zu tun. Es geht darum, nicht alles mitzumachen.

Selbstachtung bedeutet, Grenzen zu setzen. Und das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Reife.


🧬 Der Gegenentwurf: Was Unternehmen (und Politik) daraus lernen sollten

Wenn niemand bei dir arbeiten will, liegt das Problem selten an der Jugend.

Was es braucht:

  • Ehrliche Kommunikation statt leerer Phrasen
  • Faire Bezahlung statt Feelgood-Floskeln
  • Beteiligung statt Befehlskultur

Wer das schafft, gewinnt nicht nur junge Talente, sondern auch neue Perspektiven. Denn genau darin liegt die Chance: Die Gen Z bringt frischen Wind, kritisches Denken und digitale Kompetenz. Wer sie ernst nimmt, wird belohnt.

Ich arbeite mit Unternehmen genau daran: Markenidentität, die nicht nur auf PowerPoint funktioniert, sondern im Alltag gelebt wird.


🤔 TL;DR: Vom Geld zum Sinn

  • Die Gen Z ist nicht faul, sondern wählerisch – aus gutem Grund.
  • Sie verlangt nach Sinn, Fairness und echter Wertschätzung.
  • Das ist kein Verfall, das ist Fortschritt.
  • Purpose, New Work und Vier-Tage-Woche sind keine Utopien, sondern Antworten auf eine veränderte Welt.

Frühere Generationen haben für Geld gearbeitet. Die Gen Z arbeitet für Sinn, Freiheit und Zufriedenheit.

Vielleicht ist das eigentliche Problem gar nicht, dass die Jugend keinen Bock hat – sondern, dass die Gesellschaft vergessen hat, wofür sie arbeitet?

Was kannst du konkret tun?

  • Als Leser: Frag dich, was dir wirklich wichtig ist im Job – und was nicht.
  • Als Unternehmer: Teste ein Pilotprojekt zur flexibleren Arbeit.
  • Als Politik: Schaffe die rechtlichen Rahmenbedingungen für moderne Arbeitsmodelle.
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